Loveparade 2010 oder………


………….die unmenschliche Menschlichkeit des Feierns

Liebe Leser,

eigentlich wollte ich diesen Artikel unter ganz anderen Aspekten und mit anderem Inhalt schreiben, nämlich als Revue der Geschehnisse vor einem Jahr. Doch meine Recherchen über das Thema ließen mich auf das Video oben stoßen, so dass ich den Ursprungsartikel verworfen habe.

Ich empfinde dieses Video als Provokation und als Schande für die Menschlichkeit!

Ist unsere Gesellschaft wirklich schon so abgebrüht? Ein Steinwurf entfernt sterben Menschen und Teilnehmer der Veranstaltung haben nichts anderes als Feiern im Kopf? Bei genauerer Betrachtung könnte man auf die Hypothese kommen, dass diese Feierlaune das Unglück überhaupt erst provoziert hat! Betrachten wir es nüchtern:

Wie sich bei den Ermittlungen bis heute rausgestellt hat, wurden von allen Beteiligten (Veranstalter, Stadt und Sicherheitsbehörden) Fehler begangen. Der schwarze Peter wird zwar noch zwischen den einzelnen Verantwortlichen hin und hergeschoben, doch ist feststellbar, dass durch Dehnungen von Verordnungen und Gesetzen diese Veranstaltung überhaupt erst hat in Duisburg stattfinden dürfen. Fakten:

  • Ein Gelände, dass eigentlich nur für 300.000 Menschen geeignet war, wurde trotz Bedenken des städtischen Sicherheitsbeauftragten für eine Veranstaltung freigegeben, zu der 1 bis 1,4 Millionen Menschen erwartet wurden. Eine handschriftliche Notiz auf einem Pamphlet, das eine Woche vor Loveparadestart im Sicherheitsrat nochmals diskutiert wurde, weist eine Ablehnung der Verantwortung vom Sicherheitsbeauftragten auf.
  • Bei der Begehung einen Tag vor der Veranstaltung, bei der die Verantwortlichen von Stadt, Polizei, Sicherheits- und Sanitätskräften anwesend waren, wurden die kritischen Bereiche komplett ausgelassen. In der Reportage zu dieser Begehung wurden die Sicherheitsmaßnahmen und das Gelände sogar hochgelobt.
  • Polizei und Sicherheitskräfte waren nicht in der Lage zu kommunizieren, da der Funk veraltet war und schlichtweg nicht funktionierte. Die Möglichkeit eines Kommunikationsvorrechtes der Polizei über das Mobilfunknetz wurde nicht genutzt, schlimmer noch, überhaupt nicht in Erwägung gezogen. Eine Kommunikation zwischen Polizei und Sicherheitskräften war gar nicht vorgesehen.
  • Ein Zu- und Ablauf der Besuchermassen über die Autobahn war nicht vorgesehen, obwohl diese für die Loveparade gesperrt war.
  • Die Polizei hat im Rampenbereich gute 3 Meter (in der Breite) mit Einsatzfahrzeugen zugeparkt. Das wäre Platz gewesen, der etwas Entzerrung in die Situation hätte bringen können.

Betrachtet man diese Fakten, dann fällt auf, dass die Loveparade auf Biegen und Brechen in Duisburg hat stattfinden sollen. Die Stadt wollte die Veranstaltung wegen dem Prestige „Kulturhauptstadt 2010“. Vorschriften wurden zu Recht gebogen, damit sicherheitsrelevante Bedenken ausgeräumt wurden. Der Veranstalter fuhr mit Proargumentationen auf, um das Marketingevent auf jeden Fall durchziehen zu können. Dies wird auch aus den Aussagen vom Loveparade-Gründer Dr. Motte klar:



Wo bleibt hier der Mensch?

Und bei dieser Frage wird mir ganz übel! Der Mensch mit seiner Menschlichkeit! In dem ganzen Filmmaterial das ich gesichtet habe (Videos direkt aus und um der Katastrophenzone) hört man unzählige Male die Forderung von Passanten, dass die Leute zurückgehen sollen, weil es zu eng ist. Wie wurde reagiert? Gerade das Gegenteil ist passiert. Party Party Party und immer weiter drauf. Nur nach vorne, um auf das Gelände zu kommen. Ist das menschlich? Der Egoismus in seiner Reinform. „Egal wenn es Dir da vorne zu eng ist, ich will rein!“.

Filmmaterial belegt, dass man schon am Tunneleingang erkennen konnte, dass die Situation einige hundert Meter weiter eskalierte. Die Massen strömten aber weiter auf den Pulk. Nicht einmal die Polizei war im Stande mit einer Kette die Massen aufzuhalten. Für den Besucher war klar, die Schleusen sind offen, nun geht es ab auf’s Gelände. Unzählige mussten lange vor den Zugangsschleusen warten, waren entsprechend genervt. Aber ist es eigentlich nicht normal, dass wenn ich merke, dass es eng wird, sich einen gewissen Abstand zu sichern? Wäre das nicht menschlich?

Und dann Aussagen wie im Video zu beginn. Ich unterstelle dem jungen Mann einfach mal, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, was er sagt. Den guten Glauben an die Menschlichkeit nicht verlieren und die Hoffnung aufrechterhalten.

Was bleibt sind Schicksale, Traumen, Wut, Entrüstung. 21 Menschen sind gestorben, 511 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt.




Von den organisatorischen Mängeln ganz abgesehen; sollte sich nicht jeder, der in der Menschenmasse stand fragen, was er selbst hätte tun können? War es notwendig zu drängeln?

Das sind Fragen, die ich mir stelle und die mich mit tiefster Traurigkeit erfüllen. Lasst uns die Loveparade 2010 als Mahnmal gegen Profitgier, Prestigeverlangen und Selbstsucht nehmen.

Im Gedenken an die Opfer
Euer WOLF






aussagekarzinom am 26.Jul 11  |  Permalink
ich schätze deine beiträge sehr und deswegen hoffe ich, daß du folgende frage nicht als provokation auffasst:

kann es sein, daß du anhänger des irrglaubens humanismus bist?

das leid auf diesem erdball macht mich leidend, aber es erlöst auch, erlöst von dem glauben der mensch sei für das gute geschaffen...abweichler müsste man nur wieder per einsicht auf den eigentlichen weg des menschen bringen, das gute...
schmerzhafte desillusionierung, aber eine notwendige wie ich finde...

lg

wolf_mann am 27.Jul 11  |  Permalink
Mag wohl so sein!
Nein, ich emfpinde Deine Frage nicht als Provokation, eher als Anstoß, die Gesellschaft aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.

Aber!!! Ich weigere mich zynisch auf die Gesellschaft zu blicken, da ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die so empfinden und denken wie ich.

Als Mensch, der selbst schon Extremsituationen durchleben musste, weiß ich, dass die Masse selbst hätte das Unglück zum Teil verhindern können. Aber leider griff hier der Egoismus und die Blindheit für den Anderen. Leider!

Ich weigere mich einfach, an das Vorausschauende und Gute im Menschen zu glauben. Nur wenn jeder einzelne so Denkt, werden wir auf der Welt etwas verändern können. Und es gibt schon viele davon. Sicherlich auch viele unter den Loveparadebesuchern. Doch leider waren es zu wenige!

In gewisser Weise magst Du rechthaben, dass wir manch mal solche Ereignisse benötigen, damit ein Umdenken stattfindet. Jeder einzelne von uns hat täglich die Möglichkeit, ein gutes Vorbild zu sein!

In diesem Sinne LG back :-)
WOLF

angy namenlos am 27.Jul 11  |  Permalink
Danke!!!
Ich bewundere Deine Art uns immer mal wieder den Kopf zurecht zu rücken. Wir haben 2011 und ich wette die meisten haben das Unglück schon vergessen. Dem soll aber nicht so sein. Ich finde es gut,das Du uns auch die Menschlichkeit mal wieder vor Augen hällst,leider gibt es davon viel zu wenig. Danke!!! Für die Momente des nachdenkens und ein Stück weit dafür, das wir evtl. anderen mal etwas sensibler entgegen treten. Einfach Menschlicher !!
THX WOLF

wolf_mann am 27.Jul 11  |  Permalink
Liebe Angy,

danke für Deine Worte :-)

Diese bestärken mich weiterhin an solchen Themen zu arbeiten!

Danke :-)