Allgegenwärtig………….
Quelle: www.pixelio.de – Foto: hofschlaeger
…………………. und überall!

Viele Jahre schon wandle ich auf Erden und bin mit manch menschlichen Abgründen vertraut. In letzter Zeit fallen mir jedoch verstärkt neue Tiefen des Menschseins auf, welche mich dann schon fast zwanghaft dazu bewogen diesen Artikel zu schreiben.

Im Laufe meines Lebens habe ich schon einige Eskapaden in zwischenmenschlichen Beziehungen beobachtet und am eigenen Leib erfahren. In der Jugend sogar selbst unmögliche Dinge getan, um mit Beziehungsstress und Trennungsschmerz umzugehen. Aber die Abgründe, die mir in letzter Zeit begegnen lassen mich an der Menschlichkeit zweifeln. Welch Unfähigkeit, mit Gefühlen und Situationen konstruktiv umzugehen, bedacht auf den Schmerz des Anderen zur Befriedigung der eigenen krankhaften Perversion. Sie fragen sich wovon die Rede ist?

STALKING bzw. CYBERSTALKING


Wer kennt es nicht? Man lernt sich kennen, man liebt sich, man streitet sich, lebt sich auseinander und irgendwann trennt man sich. Tägliches Geschehen weltweit. Die Beteiligten leiden, verkriechen sich, durchlaufen die 7 Phasen der Trennung und nach einer gewissen Zeit ist wieder alles gut und jeder geht ein bisschen reifer seinen Weg. Der normale Wahnsinn im Gewirr der Beziehungen und Partnerschaften. Für gewöhnlich erleiden beide Beteiligten ihr Pfündchen Schmerz, durchleben ihre Tiefen, doch die Zeit heilt zwar nicht die Wunden, lässt jedoch die Erinnerungen verblassen. Und der beste Rat, den ich je von einem Menschen in diesen Angelegenheiten erhalten habe war:

„Halte Dir immer vor Augen, warum es nicht funktioniert hat!“


Nun gibt es aber auch andere Zeitgenossen, denen der Lauf der Dinge wohl unbekannt ist und mit aller Gewalt an etwas festhalten, was es nicht mehr gibt. Die in ihrer Jugend nicht gelernt haben mit emotionalen Eskapaden umzugehen und meinen geteiltes Leid ist halbes Leid. Bei genauerer Betrachtung bekommt diese Aussage eine ganz neue Qualität. Der ursprüngliche Gedanke ist, dass mehreren das Gleiche widerfährt und die Betroffenen sich über das Thema austauschen, so dass jeder lernt besser damit umzugehen. Doch in den Gedanken der stalkenden Subjekte ist diese Gedankenführung nicht vorhanden. Ihr Streben ist dem Gegenüber Schmerz zuzuführen, um den eigenen Schmerz zu verarbeiten oder erträglich zu machen.

Stalking ist seit dem 30.11.2006 ein Straftatbestand und wurde im Strafgesetzbuch im Paragraphen 238 definiert. Die offizielle Bezeichnung lautet „Nachstellung“. Zur Straftat werden folgende Vergehen gezählt, hier der Auszug aus dem Strafgesetzbuch:

(1) Wer einem Menschen unbefugt nachstellt, indem er beharrlich

  1. seine räumliche Nähe aufsucht,
  2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu ihm herzustellen versucht,
  3. unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgibt oder Dritte veranlasst, mit diesem Kontakt aufzunehmen,
  4. ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit seiner selbst oder einer ihm nahe stehenden Person bedroht oder
  5. eine andere vergleichbare Handlung vornimmt
  6. und dadurch seine Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

    Was mich jedoch etwas bei dem ganzen Gesetz schockiert ist Artikel 4, hier der Auszug:

    (4) In den Fällen des Absatzes 1 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

    Stellt ein Opfer nun einen Antrag, sprich eine Strafanzeige bei der Polizei, ist dieser häufig ohne nennenswerte Folgen für den Täter. Hier werden bei der Exekutiven die Tatbestände als Beziehungsprobleme abgetan und die Staatsanwaltschaft stellt meist das Verfahren ein. In den vergangenen Monaten sind mir folgende Fälle zugetragen worden bzw. habe ich unweigerlich selbst mitbekommen:

    1. Eine Frau lernt einen Typen auf der Community-Plattform „Jappy“ kennen, verliebt sich in ihn, verbringt einige Monate mit ihm und merkt, dass es doch nicht das richtige ist. Vor allem, weil dieser noch diverse andere Frauen im Spiel hatte.

      Nach der Trennung lässt der Typ nicht locker. Bombardiert sie mit SMSn, Anrufen, beleidigt sie auf unterschiedlichste Art über die modernen Kommunikationsmedien. Steht häufiger bei ihr unangemeldet vor der Haus-/Wohnungstür und denunziert sie im Web.

      Auf selbiger Plattform lerne ich diese Frau auch kennen und schreibe über einige Zeit mit ihr. Eine nette Person, die durchaus auch in mein Beuteschema hätte passen können. Nach einigen Tagen Schreiberei verabschiedete sie sich wie gewöhnlich um die normale Uhrzeit,
      weil sie morgens früh raus musste. Ich hielt mich auf dieser Plattform noch etwas länger auf und entdeckte einen Account, der sich ähnlich nannte, wie der der besagten Person. Da ich das ganze sehr verwunderlich fand, schrieb ich diesen Account belanglos an, ohne mich als Bekannter erkennen zu geben. Schon in der 2. Antwortmessage wurde mir ein Passwort für eine geschützte Galerie übermittelt und mir offeriert, dass man sich ja mal treffen könne, um diverse Dinge miteinander zu erleben.

      Da mir dieses Verhalten von der ursprünglichen Person dann doch recht komisch vorkam, spielte ich ein Weilchen mit und sah mir die Galerie an. Mit Schrecken stellte ich fest, dass die Galerie verfängliche Bilder der Besitzerin des Originalaccounts enthielt. Da ich mir sicher war, dass es sich beim gegenwärtigen Account um einen Fake handelte, sicherte ich alle Bilder auf meinem Laptop und stellte in der Zwischenzeit konkrete Fragen an den Fakeaccount, der dann plötzlich offline war.

      Nach reichlicher Überlegung formulierte ich eine eMail an den Originalaccount und teilte das Geschehene der betreffenden Person mit. Diese meldete sich auch gleich am Morgen. Per eMail übermittelte ich ihr dann die Bilder, worauf hin wir uns verabredeten, um bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Denn! Die Bilder wurden während eines intimen Abends mit ihrem Exfreund gemacht. Von daher konnte nur dieser hinter der Sache stecken.

      Als Beweismittel hinterließen wir eine CD, auf der sich Screenshots der Kommunikation zwischen dem Fake und mir, den besagten Bildern und der komplette Kommunikationsverlauf mit Uhrzeit, befanden. Weiter überließ die Geschädigte Ausdrucke der eMails mit Beleidigungen und eine Auflistung an SMSn, in denen sie von ihrem Exfreund beleidigt wurde.

      Den aufnehmenden Polizeibeamten forderte ich direkt auf, die IP für den Vorgang von der polizeilichen Fachabteilung ermitteln zu lassen, da mir bekannt ist, dass viele Anbieter die IPs nur 24 Stunden speichern (IP-Adressen identifizieren einen Computer eindeutig in einem Netzwerk bzw. im Internet). Leider wurde hier von Seiten der Ermittlungsbehörde zu langsam gehandelt, wodurch die IP des Stalkers nicht ermittelt werden konnte.

      Resultat der ganzen Aktion: Der Stalker wurde trotz guter Beweislage freigesprochen, weil das Gericht die Beweise nicht eindeutig zuordnen konnte (fehlende IP-Adresse) und zudem würde es sich um eine Beziehungssache handeln, weshalb ein öffentliches Interesse nur geringfügig vorhanden ist.

      Fazit zum §238:
      • Absatz eins ist erfüllt, der Exfreund stand häufiger nachweislich vor der Haus- und Wohnungstür der Geschädigten.
      • Absatz zwei ist auch erfüllt, da er übers Internet, per SMS und telefonisch versucht hat, Kontakt mit dem Opfer aufzunehmen, obwohl sie ihm unmissverständlich mitgeteilt hat, dass sie nicht mehr belästigt werden möchte.
      • Absatz vier ist erfüllt, da die Belästigungen psychische Folgen für das Opfer hatten. Angstzustände durch die Bedrohungen, Schlaflosigkeit durch den Telefonterror und
        Verfolgungsängste durch die Belästigungen waren die Folge. Für jeden Psychologen eine Gefährdung der Gesundheit.

      Aber! Die Judikative tut diesen Fall als Beziehungssache ab!
    2. Eine Frau fühlt sich in ihrer Ehe vernachlässigt und meldet sich deshalb bei der Community „WKW“ an, um ausgiebigen Kontakt mit ihren Freundinnen zu pflegen. Es kommt, wie es häufig ist. Sie wird vielerseits von Männern umworben und irgendwann verliebt sie sich in einen. Eine lockere Beziehung entsteht, doch sie merkt bald, dass dieser Mann mehrere Feuer im Eisen hat. Nach dem sie konkrete Hinweise hatte, trennte sie sich von dem Mann und das Übel nahm seinen Lauf.

      Zu Beginn genügte es dem Stalker SMSn und Nachrichten in WKW zu versenden und Drohanrufe zu tätigen. Als er hier keine Reaktion mehr erhielt, steigerte er seine Attacken, in dem er denunzierende Inhalte über diverse Gruppen der Community, in denen auch das Opfer Mitglied und bekannt war, verbreitete. Gegen die Nachrichten innerhalb der Plattform konnte sie sich durch eine Ignorierenfunktion schützen, bei den Gruppeneinträgen halfen die jeweiligen Gründer, die Nachrichten zu entfernen und den Stalker auszuschließen.

      Wohl durch diese Aktionen motiviert, kamen weitere Drohungen per SMS, dass die Nachbarschaft sich über diverse Publikationen freuen wird. Schnell wurde klar, was gemeint war. Nur einen Tag nach den Drohungen fand der Ehemann des Opfers in unmittelbarer Umgebung des Wohnhauses ausgedruckte Bilder bei eindeutigen Aktionen seiner Frau mit dem Täter. Dieser war natürlich nicht zu erkennen, dafür die Frau umso besser.

      Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Bilder aus einem heimlich gedrehten Film stammten, der ohne Wissen und Einwilligung der Betroffenen während des Aktes gedreht wurde. Welch Fiasko durch diesen Fund im noch gemeinsamen Haus ausgelöst wurde, kann sicherlich jeder nachvollziehen, auch wenn das Paar schon seit Monaten offiziell getrennt war.

      Die Nachfrage bei einem bekannten Kripobeamten brachte fast das gleiche Ergebnis wie im 1. Fall. Da die Bilder während der Beziehung zum Stalker entstanden sind und die Taten in der Trennung erfolgten, sind straf- und zivilrechtliche Folgen sehr schwer - wenn überhaupt - erfolgreich zu erwirken.

      Fazit aus der ganzen Sache:
      • Obwohl die Gesetzeslage eindeutig ist, hat das Opfer kaum die Möglichkeit seine Rechte durchzusetzen, da die Judikative die Schwere und Folgen der Taten nicht würdigt.
      • Es muss erst eine „handfeste“ Straftat passieren, damit ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.
    Dies sind nur 2 Fälle, die ich unmittelbar mitbekommen habe. Von vielen weiteren habe ich gehört bzw. wurde mir von den Betroffenen berichtet. In mir wird der Eindruck wach, dass der §238 eine
    Alibifunktion erfüllt. Jedes Opfer, welches von einem Expartner gestalkt wird, fällt durch das Raster. Ist somit die Trennung ein rechtsfreier Raum?

    Klar, wird körperliche Gewalt angewandt, greift die Körperverletzung. Mittlerweile zum Glück auch schon in einer Ehe bzw. Beziehung. Wobei die Grauzonen hier auch noch enorm sind. Hier muss man jedoch den Opfern etwas Schuld zuweisen, denn wenn bei Gewalt keine Anzeige erstattet wird bzw. die Anzeige immer wieder zurückgezogen wird, dann sinkt bei der Staatsanwaltschaft die Motivation, solche Fälle zu verfolgen.

    Alles in allem frage ich mich aber was ein Gesetz bringt, wenn es kaum zur Anwendung kommt!!!

    Ein weiterer Punkt der mich bei dem Thema beschäftigt ist, ob das Verhalten der Stalker ausschließlich als Straftat zu ahnden ist?! Denn meiner Ansicht nach zeigen die Täter Verhaltensmuster von Geisteskrankheit auf. Liest man in der Fachliteratur, so könnte man die Handlungen durchaus Persönlichkeitsstörungen zuordnen. Diese Persönlichkeitsstörungen bringen eine ungesunde Art von Eifersucht mit sich, die zu irrationalen Handlungen führt. Deshalb sollte der Gesetzgeber vielleicht auch in Betracht ziehen, Täter in psychologische Behandlungen zu schicken anstatt rigoros die Möglichkeit für Freisprüche zu schaffen. Jeder von uns kennt das Gefühl der Verletztheit. Doch der gesunde Mensch kann damit umgehen, kranke eher nicht.

    Für die Opfer muss auf jeden Fall etwas getan und die Lobby weiter ausgebaut werden. Für Betroffene hier ein paar Adressen, an die Sie sich wenden können:

    www.no-stalking.de

    Eine Website von „Weißer Ring“, die den richtigen Weg für Stalkingopfer zur Hilfe aufzeigt. Weiter werden Informationen zu den neuesten Entwicklungen zum Thema geboten und in einem Forum hat man die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Opfern.

    www.gegenstalking.de

    Diese Website gibt Hilfe und Unterstützung für Stalkingopfer. Hier erhalten Sie eine Menge Informationen über die Thematik und Tipps zur Prävention. Opfergeschichten und Forum sollen Ihnen Kraft für den Kampf gegen den/die Übeltäter geben.

    www.deutsche-stalkingopferhilfe.de

    Bietet eine Stalkinghotline zur Erstberatung unter der Nr.: 0800-0800 233 und vieles Weitere um das Thema.

    www.liebeswahn.de

    Auch hier erhalten Sie viele Informationen und Tipps zum Thema Stalking.

    Dies ist nur eine geringe Auswahl an Informations- und Hilfeseiten. Wenn Sie in Google die Suchbegriffe: „hilfe stalking-opfer“ eingeben, dann erhalten Sie noch unzählige Seiten mehr.

    Das Wichtigste ist:

    „Haben Sie MUT und gehen Sie gegen den Täter vor!!!“






amakea am 11.Jul 11  |  Permalink
Empörend
Es ist empörend wie die Opfer von der Polizei alleine gelassen werden und das Gesetz ist wirklich ein Witz. Man kann nur hoffen, dass solche Fälle nicht eskalieren und die Betroffenen dabei ernsthaft zu Schaden kommen.

Vielen Dank für diesen gut recherchierten und interessanten Beitrag.